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AutorenbildEllen Kuhn und J. Materna

KOH SAMUI - Insel im Wandel


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„Früher war das wirklich alles viel schöner und besser auf Samui. Richtig ursprünglich eben.“ Frank aus Gießen hatte zufällig am Nebentisch gesessen und die längste Zeit den Sonnenuntergang ebenso schweigsam und ergriffen beobachtet wie wir. „Zwischen 1970 und 1980 war ich als Student drei Mal auf der Insel.“ Er holte ein ziemlich abgegriffenes und vergilbtes Bild aus der schicken Lederbrieftasche. Es zeigte einen blonden, langhaarigen Anfang Zwanzigjährigen mit Batik-T-Shirt, Batik-Badehose und einer Reihe von bunten Holzkettchen an beiden Armen. In der Hand eine Zigarette, die auch für eine selbst gedrehte viel zu dick ausgefallen war. Von den wallenden blonden Haaren war nun 50 Jahre später nicht mehr wirklich viel übrig geblieben, das spitzbübische Schmunzeln war jedoch nach wie vor markant. „Ich war jung, da probiert man so einiges“, beantwortete er lachend unseren fragenden Blick. „Ich sage Euch, alleine die Anreise, ich war tagelang unterwegs. Über Nacht mit dem Zug von Bangkok nach Phunphin, das war der Hauptbahnhof von Surat Thani. Dann nochmal mindestens drei Stunden mit irgendeinem Schiff, wenn man überhaupt eines gefunden hat, manchmal war es ein Fischerboot, manchmal auch ein schmales Long Tail Boat. Nichts von klimatisierten Bussen. Die Hände des Skippers waren hoch bis zu den Ellenbogen mit Motoröl verschmiert, da er den Außenborder auf dem Trip mehr als einmal reparieren musste.“ Sein Blick war irgendwo ganz weit weg. „Und heute gibt es auf diesen paar Quadratmetern Felsen und Sand sogar einen internationalen Flughafen. Unglaublich.“ Er nippte an seinem Bier und verzog das Gesicht, da die Temperatur seines Getränks offensichtlich nicht mehr dem entsprach, was er im Ihrings, seiner Kneipe in Gießen, gewöhnt war. Vom neuen kalten Bier perlten ein paar Kondenstropfen auf sein ockerfarbenes Burberry-Shirt, dass hervorragend mit den mahagonibraunen Lauren-Shorts harmonierte. „Damals habe ich in Holzhütten am Strand übernachtet, auf einfachen Strohmatten. Das war ein ganz anderes Feeling. Hautnah. Das war das Original. Kein Strom, kein fliessendes Wasser, kein Handy. Nicht das hier.“ Sein Blick schweifte abschätzig von der Terrasse des Restaurants hoch oben in den Hügeln Koh Samuis über den stark gelichteten Palmenwald zu seinen Füssen hinab auf die Häuser entlang der Küstenstrasse, wo langsam die Lichter angingen, und blieb nachdenklich am Big Buddha hängen, der im Sonnenuntergang golden glänzte.

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Die Aussteiger und Hippies der siebziger Jahre waren auf Koh Samui wie auch auf Ibiza, Bali, Phuket, Goa und an vielen anderen Orten der Welt die Wegbereiter des Massentourismus, der allerdings erst nach 1980 mehr und mehr einsetzte. Die Erzählungen über das unberührte Paradies hatten sich in der Szene wie ein Lauffeuer verbreitete. Davor war Samui eine Insel vor allem der Fischer. Samui ist, glaubt man den Legenden, die darüber erzählt werden, schon seit ungefähr 2000 Jahren zumindest zeitweise besiedelt worden. Zuerst sollen chinesische Seefahrer auf der Insel gelandet sein, um frisches Trinkwasser aufzunehmen und ihre Schiffe zu reparieren. Fast gleichzeitig landeten immer wieder malaysische Fischer, gefolgt von Festland-Chinesen aus Hainan und Festland-Thais. Anfang des 20. Jahrhunderts kamen schließlich noch muslimische Fischer aus den südlichen Provinzen Thailands hinzu. Diese Mischung verschiedener Ethnien und Religionen und ein weitgehend autarkes Dasein ließ die Inselbewohner ein spezielles Selbstbewusstsein entwickeln. So sehen sie sich bis heute nicht nur als Thai, sondern vor allem auch als Chao Samui, das „Volk von Samui“. Eheschliessungen zwischen westlichen und samuischen Partnern führen heutzutage zu einer neuen Dimension der Durchmischung.


Knapp 70.000 Menschen leben dauerhaft auf Koh Samui. Vor der Pandemie kamen pro Jahr nahezu drei Millionen in- und ausländische Besucher hinzu, vor allem seit der 2005 geöffnete Flughafen durch einen etwa siebzigminütigen Flug von Bangkok aus Koh Samui zur leicht erreichbaren „Trauminsel“ für internationale Reiseveranstalter und ihre Kunden machte. Und das auf gerade mal 232 Quadratkilometern. Zum Vergleich ist das deutsche Fehmarn mit 185 Quadratkilometer ähnlich groß, Bali kommt auf das Fünfundzwanzigfache.

Obwohl Koh Samui so klein ist, dass man das Eiland auf der etwas mehr als 50 Kilometer langen Küstenstrasse in nur wenigen Stunden mit dem Motorrad oder Auto umrunden kann, bietet die Insel mit seiner Flora und Fauna, mit seinen Stränden und den noch erhaltenen Regenwald-Gebieten eine solche Natur-Vielfalt, dass einem die 232 Quadratkilometer viel größer erscheinen. Immer wieder überraschen einen unterwegs ein goldverzierter Schrein oder Tempel oder ein anderer Blickfang zum Geniessen und Staunen. Die bekannteste Sehenswürdigkeit, die zwölf Meter hohe goldene Buddha-Statue im Tempel Wat Phra Yai, befindet sich auf einer winzigen Insel, die mit Ko Samui über einen Damm verbunden ist. Berücksichtigt man dann auch noch die vielen gemütlichen und herzlichen Cafes und exzellenten Restaurants entlang der Strecke, wundert es einen nicht, dass Kenner für die Umrundung der zweitgrößten thailändischen Insel zwei bis drei Tage einplanen.

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Allerdings ist es wie immer und überall, wenn der Tourismus über ein Paradies hereingefallen ist - was man vorfindet, ist nicht überall auf der Insel gleich. Gerade die schon früh bekannten Strände von Chaweng und Lamai an der Ostküste Samuis haben über die letzten Jahrzehnte eine drastische Verwandlung erfahren. Die Kokospalmen-Haine, die früher die zahlreichen Strände entlang der gesamten Küste säumten, sind vielerorts verschwunden. Der Weg zu den Stränden, die überall in Thailand öffentlicher Raum sind, ist in diesen touristisch am stärksten erschlossenen Gebieten oft durch Hotels und Bungalow-Resorts behindert oder versperrt. Die Strände selbst werden von Händlern, Liegestuhl-Anbietern und lauter Musik aus Imbissbuden beherrscht.

Aber es geht auch anders. In vielen Abschnitten im Westen, Nordwesten und Südwesten der Insel ist entlang der Strände noch etwas von der ‚künstlichen‘ Anlage des nahezu geschlossenen Kokospalmengürtels zu sehen, die in Zeiten der ersten Besiedelung entstanden. Auf Samui darf generell nur maximal „palmenhoch“, also in der Regel zweigeschossig, gebaut werden, wodurch große Hotelbauten vermieden und das ursprüngliche Flair erhalten werden sollen. Während man im Osten diese Regelung durch extrem dichte Bebauung umgeht, macht sich diese Vorschrift andererorts wohltuend bemerkbar. Gerade im Nordosten um Bo Phut haben sich in den letzten Jahren viele Luxusresorts niedergelassen, allerdings muss man anerkennend feststellen, dass viele Ketten, wie zum Beispiel das Four Seasons, Ritz Carlton und Six Senses, sich bemüht haben, sich in die Umgebung nachhaltig und fast unsichtbar einzufügen. Schmerzhaft ist es aber in einem Atemzug, wenn man beobachten muss, wie sich supermoderne weiße Betonhäuser in einen Berg hinein graben und vom Regenwald allenfalls eine Deko-Attrappe zurückbleibt.


Die hohe Zahl an Touristen hat leider auch andere Auswirkungen. Die Preise für Lebensmittel sind generell massiv gestiegen, für Fleisch und Reis zum Beispiel innerhalb weniger Jahre um 300 Prozent. Einheimischen bezahlen mittlerweile bei ihren lokalen Händlern die gleichen Preise wie die Touristen. Während es früher üblich war, auf den Märkten Fisch auch in zerteilten Stücken zu kaufen, werden heute oft nur noch ganze Fische angeboten, da dies von den Touristenrestaurants bevorzugt wird, welche auch die größten Abnehmer sind. Andererseits bieten die vielen Hotels und Restaurants Arbeitsplätze für die ganze Familie, sodass man sich vom Verdienst einen Hausumbau und vielleicht auch ein Auto leisten kann. Ob das ein wünschenswertes Ziel und ein Weg in die richtige Richtung ist, bleibt dahin gestellt.

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Aber es keimt Hoffnung auf. Das Amt für Naturressourcen, Umweltpolitik und Umweltplanung (ONEP) der thailändischen Regierung hat sämtliche Surat Thani Inseln - darunter Koh Samui, Koh Tao und Koh Phangan - nach jahrelangen Bemühungen zum Umweltschutzgebiet erklärt. Die neuen Vorschriften verbieten sowohl Erdöl- und Bohrarbeiten, Urbanisierung, weitere kommerzielle Flughäfen oder auch Golfplätze. Des weiteren sind Inhaber neuer Hotelanlagen und Immobilienprojekte dazu verpflichtet, fünfzig Prozent des Landes für Grünanlagen zu verwenden. Damit soll die kommerzielle Erschließung dieser Regionen eingedämmt werden. Durch die neuen Regelungen erhofft sich die ONEP, die Natur und Umwelt der Inseln zumindest weitgehend zu erhalten.


Diese Erkenntnis kommt spät, aber hoffentlich nicht zu spät. Inwieweit die administrativen Strukturen dieses Landes es zulassen, dass solche Absichtserklärungen dann irgendwann auch an der Basis ankommen und daraus konkrete Schritte werden, bleibt abzuwarten. Skepsis ist angebracht, aber man wünscht sich nichts mehr, als dass dieses kleine Stück vom Paradies wenigstens in der jetzigen Form erhalten bleibt. Ein Paradies, das nicht nur mit seiner landschaftlichen Schönheit punktet, sondern auch mit ganz viel charmanter Atmosphäre und entspannter Herzlichkeit. Und vielleicht gerade deshalb ganz viele Menschen wiederkehren lässt.


„Früher war ich hier nur zu Fuß oder mit dem Tuk Tuk unterwegs.“ Franks Blick geht nur kurz nach links, ob seine Zuhörer noch da sind. „Aber hier hoch ins Maithy? Oh mein Gott! So eine steile Strasse schafft ja kaum mein Pajero.“ Sein Blick fällt wieder seufzend auf sein schon sehr verblasstes Foto, dann wieder auf die Insel, dann wieder aufs Bild. „Ja, es hat sich schon viel verändert.“ Noch ein Seufzer. „Ich mich wohl auch.“


Koh-Samui - ein kurzes Video über eine kleine tropische Insel voller Charme…

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