Hoch aufragende Klippen, imposante Gletschertäler, donnernde Wasserfälle und dazu - aus dem Blau des Wassers emporsteigend - alle erdenklichen Varianten der Farbe Grün. Es ist für jeden Besucher auf Anhieb unschwer zu erkennen, warum der Milford Sound als eines der spektakulärsten Naturwunder der Welt gilt. Der weit gereiste englische Schriftsteller Rudyard Kipling hielt ihn einst sogar im Überschwang der Gefühle für das achte Weltwunder und viele Jahre später erklärte die UNESCO den Fjord zum Weltnaturerbe.
Dabei ist der Milford Sound doch eigentlich nur ein Fjord im Südwesten der Südinsel Neuseelands. Falsch. Es ist nicht nur irgendein Fjord, es ist ein Fjord der Superlative.
Dieses Naturwunder ist die Hauptattraktion des neuseeländischen Fiordland-Nationalparks. In einer internationalen Umfrage wurde er 2008 zum weltweit besten Reiseziel gewählt und gilt bis heute als Neuseelands berühmtestes und am meisten besuchtes Touristenziel. Lange Zeit war der Fjord nur per Schiff erreichbar, allerdings schreckten vor der engen Einfahrt in den fast 16 Kilometer tiefen Fjord sogar Seemänner wie James Cook zurück. Der erste europäische Siedler im Milford Sound war Donald Sutherland, ein schottischer Entdecker. Er richtete sein einsames Zuhause am Fuße der Bowen Falls ein und genoß in seinem Einsiedlerleben die Aussicht auf den hochaufragenden Mitre Peak. Als schliesslich durch die Einrichtung des Milford Tracks über den MacKinnon Pass der Zugang über Land möglich wurde, eröffnete Sutherland mit seiner geschäftstüchtigen Frau Elizabeth 1888 das erste „Hotel“. Im ersten Jahr kamen immerhin 40 Gäste. Heutzutage zieht der Milford Sound jährlich sage und schreibe zwischen 550.000 und 1 Million Besucher an.
Sutherland verbrachte seine erste Zeit damit, zu malen, Vögel zu beobachten oder nach Edelsteinen zu suchen. Schon lange vor Sutherland und vor der offiziellen Route über den MackKinnon-Pass kamen Maori zum Sound, um Tangiwai Pounamu zu holen, eine alte Form des Grünsteins, der für Waffen und Werkzeuge verwendet wurde. Schwarz-Korallen wachsen nur etwa zehn Meter unter der Wasseroberfläche. Und um all das herum existiert eine beeindruckende Tierwelt mit Delfinen, Robben, Seebären, Pinguinen und gelegentlich auch Walen. Flora und Fauna können in dieser Region deshalb so intensiv gedeihen, weil es hier so richtig viel Wasser gibt, nicht nur im 25 Quadratkilometer großen Fjord, sondern an vielen Tagen des Jahres auch von oben. Mit einer durchschnittlichen jährlichen Niederschlagsmenge von fast 7.000 mm ist der Milford Sound der feuchteste bewohnte Ort in Neuseeland und einer der feuchtesten der Welt. Das tiefe Grün, das sich durch den vielen Regen in allen Schattierungen entwickelt, trägt entscheidend zur magischen Stimmung des Milford Sounds bei.
Die Magie dieses Ortes drückt sich auch in den Maori-Legenden rund um den Piopiotahi aus, wie der Milford Sound auf Maori heißt. Ein großer polynesischer Halbgott namens Maui-tikitiki-a-Taranga brach einst in Begleitung seines Lieblingsvogels Piopio auf, um Unsterblichkeit zu finden. Leider war sein Unterfangen nicht von Erfolg gekrönt, er verstarb schon auf der Reise. Der Piopio soll in seiner Trauer zum Milford Sound geflogen sein und so dem berühmten Fjord seinen Namen Piopio tahi gegeben haben. Diesen Piopio, eine Art Sperlingsvogel, hat es wirklich einmal gegeben, aber tragischerweise ist auch er ausgestorben.
Und noch eine Legende ist bis heute von Bedeutung. Es war die zickige Göttin Hinenui-te-Po, die einst die Sandfliegen, Te Namu (kleine Teufel), im Milford Sound freigesetzt hat, um die Menschen von einem so schönen Ort fernzuhalten. Leider war auch sie letztendlich nicht erfolgreich. Die vielen Menschen kamen trotzdem, aber die Heerscharen an Sandfliegen gibt es noch heute.
Um die Schönheit des Ortes wissend, scheuen viele Besucher die lange, aber landschaftlich reizvolle Anreise nicht. Über die Straßenverbindungen ist der Milford Sound 291 km von Queenstown und 278 km von Invercargill entfernt. Einige Reisende machen einen Zwischenstopp in dem kleineren Tourismuszentrum Te Anau, das 121 km entfernt liegt.
Eine elegantere und weniger zeitintensive Form des Milford Sound-Erlebnisses ist mit dem Kleinflugzeug oder mit dem Helikopter zum Beispiel ab Queenstown möglich. Die Flugzeit beträgt für eine Strecke etwa eine Stunde und meist wird im Paket auch eine etwa zweistündige Kreuzfahrt durch den Fjord bis zur Einmündung ins offene Meer angeboten. Bei diesem Flug gilt einmal mehr, dass der Weg das Ziel ist, da sich unterwegs ein grandioser Ausblick auf die majestätischen Berge, die alpinen Seen, die Fjordlandschaft und die Gletscher der Region bietet. Ein bißchen Abenteuer ist immer mit dabei, da hier durch die böigen Winde und das teilweise relativ enge Fjordtal die Flugkünste der Piloten voll gefordert werden. Aber während die Passagiere schon glauben, sie können gleich die Felswände berühren, behalten die Jungs im Cockpit hinter ihren Pilotenbrillen von Anfang bis Ende ihr abgeklärtes „Hot Shots“-Lächeln.
© Bilder travelART by Ellen
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